Am 25. November, dem Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, beginnen die 16 Tage gegen Gewalt, die bis zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember andauern. Der Berufsverband Österreichischer PsychologInnen (BÖP) unterstreicht an diesem Tag die Dringlichkeit, Diskriminierung, Ungleichheit und Machtmissbrauch entschieden zu bekämpfen. 26 Femizide in Österreich sind nur die Spitze eines viel zu oft übersehenen gesellschaftlichen Problems.
Jeden Monat kommen durchschnittlich 3 Frauen durch Gewalt ums Leben
In Österreich ist jede dritte Frau von körperlicher und/oder sexueller Gewalt betroffen - das entspricht fast 35 Prozent der weiblichen Bevölkerung ab dem Alter von 15 Jahren.
„Die anhaltende körperliche und sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Mädchen in Österreich ist erschütternd und nicht hinnehmbar. Frauenschutz bedeutet mehr als den Ausbau von Schutzräumen - es braucht ebenso präventive Maßnahmen und Aufklärung. Das Wichtigste aber ist: eine sichtbare Solidarität der Männer“, erklärt BÖP-Präsidentin a.o. Univ.-Prof.in Dr.in Beate Wimmer-Puchinger.
Psychische Gewalt: Die unsichtbare Wunde
Ein nicht erkanntes, jedoch hochrelevantes Thema ist psychische Gewalt, die als die häufigste Form der Gewaltausübung gilt. Psychische Gewalt ist subtil, schwer nachweisbar und wird daher oft nicht ernst genommen. Sie macht krank - psychisch und körperlich. Betroffene erleben Manipulation, Isolation, Erniedrigung und Einschüchterung, die langfristig zu tiefgreifenden psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder posttraumatischen Belastungsstörungen führen können.
„Psychische Gewalt hinterlässt keine sichtbaren Narben, aber sie fügt den Betroffenen massives Leid zu. Sie zeigt auf erschreckende Weise, wie tief Gewalt gegen Frauen in sozialen und zwischenmenschlichen Strukturen verankert ist. Laut Studien der WHO erkranken Frauen, die Gewalt erfahren, bis zu doppelt so häufig an Depressionen und sind signifikant stärker gefährdet, eine Suchterkrankung zu entwickeln“, so die BÖP-Präsidentin.
Gewalt gegen Frauen ist ein strukturelles Problem
Gewalt gegen Frauen ist ein gesellschaftliches Problem, das tief in unseren sozialen, kulturellen und psychologischen Strukturen verwurzelt ist. Sie ist ein Ausdruck von Ungleichheit, die in patriarchalen Machtverhältnissen verankert ist, in denen die Gleichwertigkeit und Autonomie von Frauen oft nicht anerkannt werden. Dieses Ungleichgewicht zeigt sich in vielen Beziehungen und äußert sich sowohl in körperlicher als auch in psychischer Gewalt. Eine zentrale Ursache dafür ist die soziale und finanzielle Ungleichheit zwischen Männern und Frauen. Besonders die wirtschaftliche Abhängigkeit von Frauen trägt zur Verstärkung dieser Dynamik bei.
Länder mit weniger geschlechtsspezifischen Einkommensunterschieden und stärkerer Gleichberechtigung, wie etwa in Skandinavien, sind in der Prävention und Sensibilisierung gegenüber Gewalt an Frauen deutlich weiter als Länder, in denen Frauen weniger Autonomie zukommt.
Der BÖP appelliert an Politik und Gesellschaft, die Ursachen dieser Gewalt nicht nur auf individueller Ebene zu bekämpfen, sondern auch die strukturellen Ungleichgewichte zu erkennen und anzugehen.
Gewalt gegen Frauen ist vermeidbar - dafür braucht es einen gemeinsamen Schulterschluss
Der Berufsverband Österreichischer PsychologInnen fordert eine verstärkte Sensibilisierung und Prävention im Bereich der psychologischen Unterstützung für Opfer von Gewalt. Psychologische Interventionen, die auf das Aufbrechen von ungesunden Machtstrukturen und die Förderung der Selbstbestimmung der Betroffenen ausgerichtet sind, sind entscheidend, um Gewalt langfristig zu verhindern. Ebenso braucht es spezialisierte Beratungsangebote, die den Betroffenen helfen, das Trauma Gewalt zu verarbeiten.
„Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, für eine gewaltfreie Gesellschaft zu sorgen, in der Frauen gleichwertig und ohne Angst vor Gewalt leben können. Im Kampf gegen Gewalt ist deshalb eine Allianz der wichtigsten Entscheidungsträger erforderlich - insbesondere der Männer“, betont Präsidentin a.o. Univ.-Prof. Dr. Beate Wimmer-Puchinger.