Gesundheitspsychologie-Plattform
NEDA/NEDA Ukraine - gender- und kultursensible Angebote für Menschen in der Grundversorgung bei psychischen Problemen
Beschreibung: Seit 2015 sind zahlreiche Menschen vor Krieg, Gewalt und Verfolgung nach Europa und damit auch nach Österreich bzw. Wien geflüchtet. Aktuell leben rund 27.200 Personen (davon 12.210 aus der Ukraine) in der Wiener Grundversorgung – 45 % aller Grundversorgungsbezieher:innen in Österreich (FSW, Stand: Mai 2025). 590 Personen waren laut Jahresbericht 2023 unbegleitete minderjährige Geflüchtete (FSW Jahresbericht 2023). Die häufigsten Herkunftsländer bleiben (in absteigender Rangreihung) Ukraine, Syrien, Afghanistan, Irak, Russische Föderation und Somalia.
Die Flucht bedeutet für viele eine existentielle Krise: Neben traumatischen Erfahrungen in Herkunfts- und Transitländern sehen sich viele Geflüchtete auch im Ankunftsland mit sozialen, rechtlichen und wirtschaftlichen Belastungen, und gesellschaftlichen Krisen konfrontiert. Aktuelle und anhaltende Krisen führen zu Sorgen, Ängsten und erhöhtem Risiko von Retraumatisierungen. Viele Betroffene leiden unter nicht-linearen Gesundungsverläufen mit Rückfällen in überstandene Traumata. Diese Belastungen und unerfüllte Hoffnungen auf Sicherheit und Stabilität erhöhen das Risiko schwerer psychischer Erkrankungen. Studien zeigen ein bis zu zehnfach erhöhtes Risiko für posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) und eine deutlich höhere Suizidrate bei Geflüchteten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung. Der daraus resultierende Bedarf an rascher, professioneller und niedrigschwelliger psychologischer Unterstützung übersteigt das bestehende Versorgungsangebot bei weitem und trifft in Österreich auf Versorgungslücken, insbesondere im Hinblick auf niederschwellige erstsprachige und kultursensible gesundheitspsychologische und klinisch-psychologische Angebote, welche entscheidend für die Wirksamkeit psychologischer Unterstützungsangebote in dieser Zielgruppe sind. Verzögerte oder fehlende erstsprachige Unterstützung und Behandlungen steigern dabei das Risiko langer Behandlungs(um-)wege, Fehldiagnosen und Chronifizierung psychischer Beschwerden mit potenziell hohen Folgekosten für das Sozial- und Gesundheitssystem.
Zentrale Problemlagen und Risiken
+ Hohe psychische Belastung, u.a. bei Frauen mit Kindern, älteren Personen, UMF und Menschen mit Vorerkrankungen
+ Risiken akuter Krisen, Retraumatisierungen, nicht lineare Behandlungsverläufe, Suizidalität, Kindeswohlgefährdung
+ Langwierige Behandlungsprozesse, stationäre Unterbringung, Chronifizierung psychischer Erkrankungen bei fehlender, verspäteter oder unzureichender erstsprachiger Unterstützung und bedarfsorientierter erstsprachiger klinisch-psychologischer Diagnostik
+ Erhöhtes Folgekostenpotenzial für Sozial- und Gesundheitssystem durch Akut- und Langzeitbehandlungen
Um dies adressieren zu können, wurde das Projekt NEDA ursprünglich ins Leben gerufen und seither, angepasst an die jeweils neuen Entwicklungen, jährlich weitergeführt.
Das Projekt NEDA richtet sich an Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Fluchterfahrung in der Wiener Grundversorgung in Wohneinrichtungen der Wiener Flüchtlingshilfe. Viele Menschen, die wegen Krieg, Verfolgung, Gewalt und Menschenrechtsverletzungen fliehen, nehmen selten psychologische Unterstützung in Anspruch. Um diesen Barrieren zu begegnen und den Zugang zu psychologischer Unterstützung und Informationen für geflüchtete Menschen zu erleichtern, wurde das Projekt NEDA ins Leben gerufen. NEDA bietet unterschiedliche Lösungsansätze auf gesundheits- und klinisch-psychologischer Ebene und stellt eine niederschwellige psychologische Versorgung für Geflüchtete dar. Im Vordergrund stehen Entlastung, Stabilisierung, Ressourcenorientierung und die Erarbeitung von Bewältigungsstrategien. Die Maßnahmen dienen der Prävention und Behandlung von Traumafolgestörungen, Retraumatisierungen und Folgen von Kriegserfahrungen sowie zur Unterstützung in akuten Krisen. Die aktive Vermittlung von Coping–Strategien und Maßnahmen zur Resilienzsteigerung im Umgang mit psychischen Erkrankungen, Belastungen und Krisen unterstützt die Klient:innen weiter dabei, ihre eigenen Ressourcen zu aktivieren.
Im Projekt NEDA werden an den drei Standorten des Instituts (FEM, FEM Süd und MEN) sowie aufsuchend in Wohneinrichtungen der Wiener Flüchtlingshilfe kostenlose (klinisch-) psychologische/ psychotherapeutische Einzelberatungen und Psychoedukationsworkshops angeboten. Die Beratungen finden gender- und kultursensibel und hauptsächlich in den Erstsprachen Arabisch, Englisch, Farsi/Dari, Ukrainisch und Russisch statt. Im Fokus stehen die Stabilisierung der psychischen Gesundheit sowie die Unterstützung in akuten Krisensituationen. Das auf Nachfrage und Bedarf ausgerichtete Angebot an erstsprachiger bzw. dolmetschgestützter kultursensibler Diagnostik soll weiter die Bewältigung individueller Herausforderungen der Klient:innen unterstützen. Die gesundheitspsychologisch orientierten Psychoedukations-Workshops sensibilisieren für psychische Gesundheit, Behandlungsmöglichkeiten psychischer Probleme, Ressourcenorientierung und bieten Raum für Austausch und Verfestigung erlernter Methoden. Außerdem werden digitale psychoedukative Inhalte in den projektrelevanten Erstsprachen für Adressat:innen und Fachkräfte in verschiedenen Formaten (Poster, Videos, geführte Audioanleitungen) bereitgestellt. Die Inhalte vermitteln praxisnahes Wissen zu unterschiedlichen psychoedukativen Themen und psychischer Gesundheit, Umgang mit Stress, Gewaltprävention, gewaltfreier Erziehung und Selbsthilfeübungen zur Selbstregulation, Stabilisierung, Distanzierung und Ressourcenstärkung, u.a. in Form von angeleiteten Achtsamkeits- und Mediationsübungen. Die Themen orientieren sich am Bedarf der Zielgruppen, den Schwerpunkten der Beratungen und aktuellen Ereignissen. Die Materialien sind niederschwellig zugänglich über YouTube, die Institutswebsite und QR-Code-Visitenkärtchen, werden in Wohneinrichtungen, bei Kooperationspartner:innen und in Beratungseinrichtungen verteilt und regelmäßig in Vernetzungstreffen vorgestellt. Durch die flexible Nutzungsmöglichkeit erhöhen sie die Reichweite, entlasten Berater:innen und ergänzen breitenwirksam die präventive und psychoedukative Arbeit, sowie Informationstransfer bei verhältnismäßig geringem Ressourceneinsatz.
Webseite: https://fem.at/arbeitsbereiche/neda-beratung-fuer-...
Laufzeit: Das Projekt startete im Juli 2019 und läuft seitdem mit jährlicher Option auf Verlängerung, gefördert durch den Fonds Soziales Wien.
Bisherige Erfolge: Seit Projektbeginn 2019 wurden im Rahmen der gesundheitspsychologischen Angebote insgesamt 152 Poster, 21 Videos und 58 Audiodateien zu unterschiedlichen, für die Adressat:innen relevanten psychoedukativen Gesundheitsthemen in verschiedenen Sprachen erstellt. Kärtchen mit QR-Codes bieten seit 2024 schnellen Zugang zu verschiedenen Videos zu Stabilisierung, Distanzierung und Ressourcenorientierung in der jeweiligen Erstsprache. Diese psychoedukativen Materialien sind auf der Website und in Wohneinrichtungen verfügbar oder werden von Berater:innen ausgegeben. Die schnelle Verfügbarkeit dieser Unterstützungsangebote hilft, Stabilisierung und Sicherheit im Alltag zu schaffen (Poster Stresspräventionsplan in allen verfügbaren Sprachen bzw. QR-Codes exemplarisch im Anhang). Diese Materialien werden häufig in Anspruch genommen und sind stark nachgefragt. Auch von externene Organisationen kommen häufig Anfragen zu diesen Materialien, da sie eine gute Möglichkeit bieten, um gesundheitspsychologische Informationen unkompliziert, breit gefächert und erstsprachig zur Verfügung zu stellen.
Im Jahr 2024 fanden im Rahmen des Projekts außerdem rund 3700 psychologische Beratungen und 220 Workshops bzw. Gruppenangebote statt. Diese Angebote stehen allen Altersgruppen offen – im letzten Jahr zeigte sich ein besonderer Bedarf bei Jugendlichen und älteren Personen.
Zudem organisiert NEDA (im Rahmen des Instituts für Frauen- und Männergesundheit) mit der MA24 (Wiener Programm für Frauengesundheit) zweimal jährlich Fachtagungen mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten im Rahmen der Plattform "Frauen-Flucht-Gesundheit". Ziel ist es, durch diese Veranstaltungen ebenso wie durch die vielen Vernetzungsgremien, zahlreiche Professionist:innen und Multiplikator:innen für Herausforderungen und Belastungsfaktoren von Frauen mit Fluchterfahrung zu sensibilisieren und über Projektinhalte, Unterstützungsangebote und Vernetzungsmöglichkeiten zu informieren (Programme 2024 und 2025 im Anhang). Dadurch wird weiterer wesentlicher Beitrag zu gesundheitspsychologischem Informationstransfer geleistet.
Einreichende Organisation/ Person: Institut für Frauen- und Männergesundheit/FEM
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